die schweiz. ein leben wert?
wo lebt sich’s besser?
wer mich gut kennt, der weiß, dass ich das meer liebe.
wenn ich mir ein reiseziel aussuchen dürfte, dann wäre es immer ein ort, der am meer liegt. oder eine insel. oder direkt eine kreuzfahrt.
als ich noch ziemlich viel jünger war, hab ich sogar mal ein halbes jahr am meer gelebt. in andalusien. das war toll. bis auf die tatsache, dass ich dort allein war, aber darüber reden wir mal wann anders.
das meer ist einfach schön. es beruhigt mich. es lässt mich träumen und es ist wie ich - launisch und ein bisschen crazy. mal ist es ruhig, mal ganz wild. mal ist es ganz farbenfroh, mal eher trüb.
ich bin ein bisschen wie das meer. vielleicht bin ich darum so gern da.
erstens kommt es anders, …
doch ich bin ja nun wirklich nicht auf der wurstsuppe hierher geschwommen. ich weiß, dass das leben kein ponyhof ist und somit war ja folglich fast klar, dass alles mal anders kommen wird, als meine schönsten träume es mir ausmalen wollten.
in meinem artikel “ich hatte angst, einfach angst.” hab ich’s schonmal erklärt, wie alles kam. aber ihr wisst es ja eh schon, also long story short: nix meer. in den bergen leb ich jetzt!
2 jahre all-inclusive
2 jahre ist das nun her, dass ich so angst hatte und mir so viele sorgen gemacht hab.
inzwischen ist viel passiert.
wir sind nach einem 1-jährigen aufenthalt in einer schönen übergangswohnung in unser traumdomizil in eine familiensiedlung mit Spielplatz im garten gezogen. unsere kinder können ihre kita, den kindergarten oder die primarschule zu fuß oder per fahrrad erreichen, ohne auch nur 1 mal die straße überqueren zu müssen.
unser dorf bietet uns so ziemlich alles, was wir für unser alltägliches leben brauchen: 2 supermärkte, 3 friseure, blumenläden, exklusive schweizer restaurants und türkische spezialitäten-lokale. auch sportfreaks finden langlaufski und fahrräder zum kauf oder musikfans können sich mit neuen instrumenten von bassgitarre bis schwyzerörgeli eindecken.
abwechslung so weit das auge reicht
falls wir doch mal was anderes sehen oder was aufregendes erleben wollen, dann sind wir in 35 minuten mit dem auto oder in 37 minuten in zürcher stadtzentrum gefahren. in 11 minuten erreichen wir unser wochenend-rodelgebiet mit schlepplift, skischule und hütte mit stimmungsaufhellenden heißgetränken für die eltern. und in 26 minuten erreichen wir die talstation der gondel hinauf in unser skigebiet auf knapp 1.900 m höhe.
wir leben in der zentralschweiz. genauer gesagt im kanton schwyz. unser kanton ist deutschsprachig, das war uns tatsächlich auch wichtig.
4 von 3 millionen
mein mann hatte vor unserer auswanderung ein jobagebot aus der französischsprachigen schweiz bekommen und hat letztendlich drauf verzichtet, weil es wirklich einen unterschied macht, ob man in eine gegend zieht, in der man seine neuen nachbarn versteht oder nicht. allein schon wegen der integration mal miteinander quatschen bei einem weinchen oder so.
der kanton, in dem wir leben, ist einer der 3 gründungskantone der schweizerischen eidgenossenschaft und auch namensgebend für den landesnamen der schweiz.
die etwa 8,7 millionen einwohner der schweiz leben verteilt auf 26 kantone und sprechen viele sprachen der welt.
aktuell leben wohl fast 3 millionen menschen in der schweiz, die einen migrationshintergrund haben. allen voran italiener [ca. 328.000], deutsche [311.000] und portugiesen [255.000].
ohne integration ist alles nix
bevor wir uns als ausländer zu allen anderen zuwanderern in die schweiz gesellten, hatten wir uns natürlich den ein oder andere gedanken über unser zukünftiges zuhause gemacht.
ich für meinen teil hatte schon endlose male gehört, dass es wohl mega schwer ist, wirkliche freundschaften mit “richtigen” schweizern zu knüpfen. sie seien wohl eher reserviert und öffnen sich nicht sofort für neue kontakte.
ich sag mal so - das kann ich total verstehen.
und doch hatten wir endloses glück.
gleich relativ zu beginn unserer zeit in der schweiz wurden wir von einer freundin einer unserer nachbarinnen auf ein ur-schweizer sportevent hingewiesen. ein schwingfest.
jetzt würd ich so gern deine gedanken lesen. was zur hölle ist denn ein schwingfest? wird da getanzt oder was?
tradition trifft action
nein, ganz falsch. schwingen ist ein schweizer nationalsport.
es ist eine traditionelle art des ringens - auf sägemehl. die jungs und mädels sehen nach ihren wettkämpfen aus wie sau und brechen sich regelmäßig hier und da ein paar knochen oder kugeln sich die schultern aus.
es verspricht also action. und tradition. und da bin ich ja sofort an bord. also sind wir zum schwingfest gefahren. und wenn unsere nachbarschaft recht international ist, dann ist ein schwingfest ein stückchen heile schweizer welt.
im festzelt saßen die familien der schwinger - bauern, verkäufer, gärtner oder selbstständige, die eines gemein hatten: sie waren allesamt ur-schweizer.
ein bisschen heimat in der fremde
ich hab mich sofort wie zuhause gefühlt. ein schweizer traditionsfest mitten auf dem land. dazu gutes essen und was feines zum trinken. genauso bin ich in ostdeutschland aufgewachsen - auf dorffesten mit den nachbarn. das schwingfest hat sich ein bisschen so angefühlt.
übrigens: die familie, die uns damals den tipp gab, doch mal beim schwingfest vorbeizuschauen, sie sind heute unsere besten und engsten freunde hier in der schweiz.
wenn man sich irgendwo in der fremde integrieren will, schadet es also überhaupt nicht, wenn man sich auch mal ganz ehrlich für die lokalen besonderheiten und feste interessiert.
ein teil vom großen ganzen
von deutschen freunden, die bereits seit mehr als 10 jahren in der schweiz leben, hab ich vor kurzem mal gehört, dass wir wohl in unseren 2 jahren schon mehr schweizer events besucht hätten, als sie in ihren 11 jahren. und das seh ich als riesen kompliment. genauso haben wir es uns gewünscht. wir wollen ein teil der gemeinschaft hier sein.
kennen wir uns?
dazu gehört auch etwas, was für mich als deutsche eine der größten umstellungen war. es mag ganz fürchterlich blöd klingen, aber denk mal ganz kurz drüber nach, wie oft du auf der straße beim spazierengehen oder einkaufen einfach mal jemanden grüßt oder von jemandem gegrüßt wirst. ganz egal, ob die die person kennst oder nicht.
na? wie oft?
ich kann das für mich an 1 hand abzählen.
bei uns hier auf dem dorf grüßt einfach jeder jeden. und die kinder lernen es von klein auf, dass ein lieb gemeintes “grüezi” nicht schadet.
mein mann hat vergangenes jahr, als wir im urlaub in deutschland waren, einen test gemacht und in einem restaurant beim vorbeigehen jemand wildfremdes gegrüßt und angelächelt.
der herr folgte ihm mit etwas verwirrtem gesicht und fragte meinen mann dann, ob sie sich kennen würden.
“nein. warum?”
“sie haben mich doch gegrüßt.”
“ja. und? ich wollte nur freundlich sein.”
“oh. ok.”
sicher, die stadt ist auch hier in der schweiz ein bisschen anonymer, aber grundsätzlich sehen wir einen riesen unterschied, was die freundlichkeit gegenüber fremden angeht.
ich hab alles aufgegeben
wir fühlen uns so wohl, es zieht uns kaum noch etwas zurück nach deutschland. das land in dem ich geboren und aufgewachsen bin. das land, in dem meine familie lebt - meine eltern und großeltern. und meine freunde.
ich hab all das aufgegeben. für eine neue chance auf’s große glück.
und so sehr ich mir manchmal wünschte, dass meine eltern nur einen kurzen anruf entfernt wären, um mal kurz die kinder zu nehmen oder ich abends auf ein weinchen zu meiner alten freundin rüber lauf. ich bereue nichts.
abstand tut gut
in deutschland gab es einfach zu viele dinge, die mir und uns nicht mehr gut taten. die uns traurig oder wütend gemacht haben. die wir so nicht mehr akzeptieren konnten und wollten.
es musste einfach distanz her.
und wenn distanz besteht, lernst du doch auch echt gut, wem du wirklich wichtig bist und wer sich tatsächlich für dich interessiert.
in unserem fall gab es einige erleuchtungen. und es hat uns so viel ballast genommen.
die freunde, die uns geblieben sind, sind wahre freunde. wir bleiben in kontakt. auch über die distanz hinweg.
leben, wo freunde urlaub machen
die meisten kommen uns gern besuchen - für sie ist es immer ein urlaub. wir leben da, wo unsere freunde und familien urlaub machen. das ist doch toll!
und wir fahren ab und zu mal noch nach deutschland, um meine großeltern zu besuchen. für sie ist der weg zu uns einfach zu weit und da geh ich doch gern den schritt zu ihnen.
oh weh - jetzt hab ich mich aber wieder ganz schön ausgelassen. du hast ja sicher auch noch was anderes zu tun, also geb ich dir nochmal kurz und knapp meine größten pluspunkte für unser leben in der schweiz:
pro schwiiz
1 schritt ins glück
unsere auswanderung, dieser mutige schritt nach vorn, hat uns so stark gemacht. und er hat distanz hergestellt zu menschen und dingen, die uns in deutschland nicht gut taten.
2 jahre ist es nun schon her, dass wir einen der größten schritte unseres lebens gewagt haben. 2 jahre ist es nun schon her, dass wir alles zurückgelassen und von vorn angefangen haben.
2 aufregende, anstrengende jahre. ich würde diese 2 jahre für kein geld der welt rückgängig machen wollen.
den mut, den ich in den letzten 2 jahren bewiesen hab, hab ich in meinem alten leben in deutschland in den vergangenen 33 jahren gesamt nicht bewiesen. ich bin so weit gewachsen, wie nie zuvor. ich hab unendlich viel neues über das leben und mich selbst gelernt.
wir lieben unser neues leben in den bergen. mein meer läuft mir ja nicht weg. irgendwann machen ja auch wir mal urlaub.