der mama-effekt

oder wie ich für meine kinder da bin und doch nur störe
entspannter morgen, keine sorgen


meine tochter verbringt den tag mit ihrem „gotti“. mein sohn spielt freudig bei den nachbarn. ich hab ein paar momente für meine arbeit und den einkauf. so far, so good. oder!?


der morgen startet eigentlich ganz entspannt. unsere routine funktioniert echt gut. ich hab sie in „mit Schüttelfrost im schwimmbad“ schonmal ein bisschen erklärt. alle haben gut geschlafen und sind frohen mutes, dass es ein guter tag werden wird. 

meist so gegen 10 uhr erreichen wir dann aber jeden morgen einen punkt, an dem meine beiden energiegeladenen wildfänge mal ganz dringend an die frische luft müssen.



beim lego hört die freundschaft auf


jedes frisch errichtete lego-bauwerk wird von der kleinen schwester mit einer schwungvollen handbewegung zum einsturz gebracht. das lieblingsauto verliert ein rad, als die schwester es in den mund nimmt. und dabei weiß sie doch, dass sie das nicht machen soll. man, ey!


da legt sich - ganz unangemeldet - der schalter im kopf meines kleinen jungen um. der ärger über die zerstörungswut seiner schwester wird einfach zu viel und übermannt ihn. er flippt aus. und schreit. und schubst die schwester um. nun weint auch sie. und die mutti schimpft. mein sohn hat‘s wirklich manchmal nicht leicht.


raus! alle raus!


ok, es eskaliert. alle raus!

manchmal wird den kindern selbst die größte wohnung einfach zu eng und alle hundertneunzig spielsachen zu öde. manchmal ist es einfach alles zu viel. 


ich find das gar nicht so schlecht, raus zu müssen. frische luft hat ja bisher noch niemandem geschadet und wir haben‘s auch echt schön im garten und überall sonst im dorf. toll natürlich, wenn die sonne schön scheint. aber wir wissen ja alle: es geht auch anders. 

ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft wir im letzten frühling bei strömendem regen draußen waren. ein fest für die kleinen! mich hält an solchen tagen alleinig der gedanke bei laune, dass die kinder danach zuhause viiiel entspannter sein werden, als zuvor am morgen.


erstmal ausflippen


irgendwie ist es an diesem tag aber ein bisschen verhext.

die laune meines jungen wird irgendwie nicht mehr besser. was immer ich sag, er poltert es mir 10 x lauter zurück. wenn ich ihn zurückpfeife, weil er versucht, was gefährliches zu machen, schreit er mich an oder versucht, nach mir zu treten. das ist jetzt neu. treten hatten wir lange nicht.


ich bin genervt. er auch. eine blöde kombination.


manchmal klären sich die dinge von selbst


zurück zuhause schlag ich ihm spiele vor, die wir machen könnten. oder sollen wir vielleicht was malen? memory? egal, was ich vorschlag - alles ist doof.


mein gott. irgendwie nervt‘s. was kann ich denn nur machen!?


aber gut - manchmal klären sich die dinge ja von selbst. vom balkon aus sieht mein sohn ein paar nachbarskinder im garten hüpfen. 


„ich geh runter auf‘s trampolin, mama!“ 

„ok, cool. viel spaß und passt gut auf. ich komm dann mal schauen.“

„ok. tschüüüß."


so ein lieber


yay! super! jetzt ist er erstmal für ne weile beschäftigt.


long story a bit shorter: ich geh nach knapp einer halben stunde mit meiner tochter auch nach unten, um meinen sohn zum mittagessen zu holen. die mama eines der kinder ist auch da. ich frag sie, ob alles gut geklappt hat. 


„sie spielen so toll zusammen. richtig schön.“

„ok. schön. und mein junge war lieb?“

„total. er ist immer so höflich. grüßt alle, die vorbeikommen und hört richtig gut. er passt immer so gut auf alle auf.“

„wow. das klingt super.“


„ok, mein schatz. kommst du bitte runter vom trampolin? wir gehen mittag essen.“

„NEIIIN! lass mich!“


der “mama-effekt"


ein parademoment.

ich nenn‘s den „mama-effekt“.

kennst du den auch?
vorrangig erleb ich ihn mit meinem sohn. obwohl - gut - bei meiner tochter [2] kommt’s langsam auch.  


unser “mama-effekt” tritt vorrangig dann auf, wenn mein sohn oder auch meine beiden kinder eine weile bei jemand anderem waren - ich quasi aus den augen, aus dem sinn. sobald ich dann um die ecke bieg und ins sichtfeld komm, ändert sich ihr verhalten. und die stimmung kippt.

ich hab dem ganzen mittlerweile einen namen gegeben, weil es sich wirklich oft wiederholt. es ist nicht mal nur so ein one hit wonder. es ist echt real.

aber warum ist das so? warum ändert sich das verhalten meiner kinder, wenn ich dabei bin?



was kann ich nur tun?


es interessiert mich wirklich und ich geb zu: mein mann und ich - wir sind mittlerweile echt ratlos. wir haben inzwischen einfach schon so viel probiert: spitze kommentare ignorieren wir, beim spielen sind wir mal in sichtweite, mal nicht. wir haben sie ruhig zur seite genommen und mit ihnen drüber gesprochen, warum sie grad komisch drauf sind oder wir haben auch mal geschimpft, wenn bspw. unser sohn einem anderen kind gegenüber aggressiv wurde.

das hat alles mal kurz geholfen. aber beim nächsten mal hatten wir den gleichen salat wieder.

lange hat’s gedauert, aber nun hab ich endlich die antwort auf einige meiner fragezeichen im kopf:



meine kinder können gar nix dafür


es ist meine schuld.

haha

joke beiseite.

und doch - mittlerweile gibt es tatsächlich
studien, die felsenfest belegen, dass kinder sich 800 (!!!) mal schlimmer benehmen, wenn ihre mama im raum ist.


das ist doch beruhigend, oder!? wenn ich also nicht dabei bin, sind meine kinder die engelhaftesten engel.

auch hier:

joke beiseite.

das trampolin-beispiel von oben ist die regel. aaaber natürlich gibt’s auch ausnahmen. sie haben ja trotzdem auch einen eigenen charakter und fangen grad erst an, sich ihre eigene meinung zu bilden. und dann gibt es ja auch einfach spielpartner, die sie mehr und manche, die sie weniger mögen. dazu kommt noch die jeweilige tagesform und der einfluss der eltern.

all das führt letztendlich zum verhalten meines kindes - mal super fein, mal zum verstecken.



der kleinste ausrutscher wird gegen mich verwendet


wenn sie mal ausflippen oder mit schlechten wörtern um sich werfen, dass uns nur so die ohren schlackern - ja, dann weiß ich, dass nicht alles nur ihre schuld ist. mama und papa sind schließlich auch nicht auf den mund gefallen.
der kleinste ausrutscher wird gegen uns verwendet. bei jeder gelegenheit.



was mach ich falsch?


aber schauen wir mal meinen sohn an.

wenn der “mama-effekt” zuschlägt - ist er dann wütend auf mich, weil er merkt, dass ich ihn für eine weile “verlassen” hab? bin ich im weg? will er lieber allein sein? oder ist er nur “cool” und will mir imponieren mit “halbstarkem” getue? kann er mit 4 jahren überhaupt schon so viel kalkül besitzen?

die antwort ist recht einfach:

nein. nein, das kann er nicht.

ich als seine mama hab von natur aus den engsten bond zu ihm. ich bin seine engste vertrauensperson. sein sicherer hafen. und sein mülleimer.
bei mir kann er all seine last abladen. frust, trauer, wut. glück, freude, liebe. emotionale überforderung oder einfach die schlechte laune über einen doofen tag.

was immer es ist, was immer er fühlt - er weiß, dass ich ihn niemals verlassen werde. ich werde bleiben. auch, wenn er mich im supermarkt vor allen leuten anschreit, weil ich ihm was nicht kaufe oder wenn er versucht, nach mir zu hauen. ich bleibe.

sein papa natürlich auch. deswegen wird auch er mal angeschrien.

ich mach also gar nichts falsch. also zumindest nicht alles.


 

was kann ich besser machen?


nun wissen wir, warum unsere kinder sich um 800% schlimmer benehmen, wenn die mama im raum ist. aber was können wir denn nur tun, um uns nicht allzu übertrieben auf der nase rumtanzen zu lassen?

ich mein, ist ja schön und gut, dass ich sein mülleimer bin. go ahead! aber irgendwann ist auch gut. ich hab ja auch gefühle. und meine kinder sollen ja irgendwann auch mal lernen, ihre emotionen selbst zu kontrollieren und konflikte zu klären - egal, ob ich dabei bin oder nicht.

wie ich vorhin schon erwähnt hab, waren mein mann und ich vor einiger zeit ziemlich ratlos. wenn nicht sogar komplett ohne antworten.



hilfe suchen hilft


also haben wir die kleinkind- und erziehungsberatung der spitex kontaktiert.

die spitex ist eine gemeinnützige organisation, die sich um die betreuung und pflege von menschen in jedem alter und jeder lebensphase kümmert. egal, ob es sich um krankheit, spitalaufenthalte, psychische erkrankungen oder die wachsenden herausforderungen des familienalltags handelt.

uns wurde die institution wärmestens von der kitaleiterin unserer kinder empfohlen. sie sucht in schwierigen situationen gern selbst mal rat bei den mitarbeitern der spitex.

wir waren mittlerweile schon 2x da und gingen jedes mal erleichtert und mit neuen, ganz frischen ansätzen wieder nach hause. 

dieses mal wurden wir besonders überrascht.



alles ist so, wie es sein soll


unsere kontaktperson hörte sich unsere berichte an, während sie ein auge auf unsere spielenden kinder hatte. sie benahmen sich natürlich vorbildlich. mein mann und ich mussten einige mal schmunzeln. wir konnten es kaum glauben - kein geschrei, kein streit, große hilfsbereitschaft. wir waren richtig stolz.

ihr fazit also: das verhalten unseres sohnes ist für sein alter [fast 4,5 jahre] gaaanz normal.

manche kinder in seinem alter drücken ihre emotionen durch weinen aus. andere fressen ihren frust in sich hinein und wieder andere “befreien” sich auf körperliche art und weise. auf meinen sohn trifft letzteres zu.



schimpfen - mehr fluch als hilfe


wenn wir dann, im moment größter wut, auch noch mit ihm schimpfen, kippen wir extra öl ins feuer und die situation eskaliert.

das will ja niemand. und das hält auf dauer auch keiner aus.

also schlug uns die nette beraterin der spitex vor, unsere positionen als mama und papa “aufzugeben”.

wie das?
ganz “einfach”.

wenn der ton im spiel mit der kleinen schwester oder den nachbarskindern mal rauer wird, sollen wir doch einfach mal ganz neutral in die situation hinzukommen.
wenn wir einfach nur fragen: “oh weh - was ist denn passiert?”, geben wir unserem kind die möglichkeit, seine sicht der dinge zu erklären.



everything happens for a reason


denn - wie ich ganz zu beginn schon erzählt hab - wut kommt nie von nirgendwoher. es gibt immer einen grund. und, wenn es die kleine zerstörerische schwester am lego-turm ist. wenn wir es schaffen, ruhig zu bleiben und nicht mit dem finger auf unser kind zu zeigen, haben wir schon die halbe miete. wenn wir es dann noch hinbekommen, dass wir gar nicht einschreiten, sondern unsere kinder ihren konflikt selbst klären lassen - dann können wir uns auch mal auf die schulter klopfen.  

ich muss sagen, bei uns funktioniert es tatsächlich. wir stellen massive veränderungen fest. bei uns zuhause geht es seit unserem letzten gespräch mit unserer betreuerin wesentlich ruhiger zu. es wird viel weniger geschrien [gilt für uns eltern, wie auch für unsere kinder] und konflikte werden viel sachlicher geklärt.

trotzdem ist es natürlich ein prozess und wir alle fallen von zeit zu zeit wieder in unsere alten verhaltensmuster zurück. es ist schwer, ständig neutral zu sein. aber: wir bleiben dran.



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