verliebt, verlobt, corona.

als wir das allererste mal als kleine familie auf die heimatinsel meines mannes reisten, verriet er mir ein geheimnis. er sagte, dass es eine sache gibt, die man unbedingt beachten muss, wenn man mal nach island fliegt. nämlich, dass man nochmal genau checkt, dass man auch wirklich ein rückflugticket gebucht hat. 

ich wusste gar nicht, was er von mir wollte. island soll doch sooo mega schön sein. dort wollte doch jeder schon immer mal hin. wegen der landschaft und so. oder manche leute waren schon mal da im urlaub. und die nordlichter, die sollen doch auch richtig cool sein. also das sagen uns zumindest immer ganz viele leute, die erfahren, woher mein mann kommt.


honeymoon in island und dann ab nach hause


ende februar 2020 war es für uns wieder soweit: wir hatten flüge gebucht und großes vor.
2 tage nach unserer ankunft gingen wir zum standesamt. und heirateten. ganz klein, unkonventionell und ganz schön.


danach war unser plan, dass wir noch 2,5 wochen bleiben, den 1. geburtstag unseres sohnes feiern, freunde besuchen, geysire und wasserfälle anschauen, mit [ur]-oma und [ur]-opa zeit verbringen und in heißen quellen planschen. haben wir alles gemacht. war schön. 


aber irgendwann geht ja auch der schönste urlaub mal zu ende. unseren rückflug hatten wir natürlich gebucht. darauf passt mein mann auf. 

wir wollten am 17. märz wieder in richtung deutschland zurück. und als treue tagesschau-guckerin bin ich natürlich jeden tag up-to-date und weiß, was in der welt passiert. und über corona in asien wurde bis dato auch schon öfter berichtet. also, wir wussten, was da los war und dass das virus sich mittlerweile auch bis in die après ski-bars in ischgl vorgedrängt hatte.

in island war alles ruhig. corona interessierte dort nicht wirklich jemanden. also setzte ich mich auch am vortag unserer abreise wieder ganz entspannt auf’s sofa und wartete auf die nachrichten um 8. als ich dann ein paar minuten später von jens riewa hörte, dass die lufthansa weltweit weitere flüge streichen würde, überraschte mich also nicht wirklich.

doch dann popte auf dem iphone meines mannes ein update up: unser flug war gestrichen.


corona zwingt uns zur notlandung


na toll! so in etwa, glaub ich, klang unsere erste reaktion. wir machten uns - um ehrlich zu sein - keine allzu großen sorgen. in island sah man das alles nicht ganz so eng, also wird sich wohl auch im rest der welt die ganze aufregung bald wieder legen. wie dumm wir doch waren …

ich telefonierte ab dem tag unserer flugabsage täglich mit den freundlichen damen und herren des lufthansa-kundenservice. wir verbrachten viele gemeinsame stunden und zwischendurch durfte ich endlosen beethoven-sinfonien lauschen. wunderschön. trotzdem konnten sie mir nichts genaues sagen. es gab einfach keinen flug.

doch wir witterten unsere chance: aus verschiedenen teilen der erde wurden mittlerweile sonderflüge organisiert, mit denen deutsche touristen aus den entsprechenden ländern zurück nach deutschland ausgeflogen wurden. das erzählten doch zumindest die angela und der söder markus immer abends um 8. ich muss es ja schließlich wissen. ich hab’s gesehen.


aber nein, in island befanden sich zu unserem zeitpunkt im februar zu wenige deutsche urlauber. ein flugzeug zu schicken, um uns paar leute abzuholen, wäre nicht sinnvoll gewesen. ich mein, für uns schon.



ok, ein bisschen länger urlaub ist doch auch nicht schlecht


das sah nicht gut aus. wir bleiben also noch ne weile. na gut, island ist ja schön. dann lassen wir uns halt was einfallen. ist doch eigentlich auch gar nicht so schlecht, wenn unser urlaub einfach noch ein bisschen länger dauert.

unser glück ist, dass wir in island eine wohnung haben, in der wir immer einige kleidungsstücke und spielsachen parat haben, sodass wir meist nur mit leichtem gepäck reisen. dieses mal waren wir vorbereitet auf tiefsten winter. es war stockdunkel und eiskalt. jeden tag. den ganzen tag.

aber gut, das wird schon. wir machen’s uns schön.

 
am ersten wochenende fuhren wir mit freunden in deren sommerhaus in den süden der insel. es war ein reiner traum. an den 4 hellen stunden des tages strahlte die sonne und zauberte das fabelhafteste winterwunderland aller zeiten. wir kamen näher ans haus und merkten etwa 400 m zuvor, dass es leider keine straße mehr gibt.



winterwonderland mit vulkan


alles war zugeschneit. 
ok, ist doch gar kein problem. 
wir parkten die autos mitten im schnee, wobei eines stecken blieb, und zwei unserer männer liefen zum haus, um quadbikes zu holen. als das erledigt war, düsten wir mit samt gepäck, eingekauften nahrungsmitteln und kindern zum haus. es war ein riiiesen abenteuer. und eiskalt.
 
das im schnee versteckte auto mussten wir ja auch noch befreien. also fuhren ein paar von uns wenig später wieder raus - es wurde gefühlt immer kälter. mittlerweile waren es -9 grad. das mag zwar kalt klingen, aber in island ist das ja noch nicht das ende der geschichte. dort kommt ja an 360 von 365 tagen noch ein feiner wind dazu. also bewegten wir uns bei gefühlten -16 grad und konnten nach gut 45 minuten den eingeschneiten jeep freischaufeln.  

wir verbrachten 3 wundervolle und kuschelige tage mit unglaublichen aussichten. und irgendwann am zweiten tag kam unser kleiner sohn um die ecke gebogen und machte seine ersten schritte. davon werden wir ihm in 100 jahren noch erzählen.

gut - das war doch toll. dann kann ich doch jetzt mal wieder die lufthansa anrufen. 
ich mach’s kurz: keine flüge.


aber vielleicht in 4 wochen. ich soll doch dann nochmal anrufen. 4 wochen!? nicht euer ernst!

alltag in island


wir mussten uns also sowas wie tägliches leben bauen. war eigentlich auch kein problem und einschränkungen gab’s in island auch fast keine. restaurants, spielplätze und attraktionen waren zu jeder zeit geöffnet und masken mussten wir nur in geschäften tragen.

mein mann fing an, im home office zu arbeiten. ich war noch bis anfang mai in elternzeit. also hatte ich noch ein bisschen zeit und viel zu tun.


ich kaufte kindermöbel und ein laufrad sowie neue kleider für die ganze familie. unser sohn verbrachte viel zeit mit seinen großeltern, ließ sich zum allerersten mal die haare schneiden und wir lernten jede ecke reykjaviks auf endlosen spaziergängen kennen. es war schön, aber oft einfach auch nicht.

das wetter in island ist meistens mies. es weht so gut wie jeden tag ein wahnsinniger wind und regen peitscht vertikal durch die gegend. es ist einfach ungemütlich.

und dann wird es zuhause oft einmal mal langweilig. wenn die sonne dann mal scheint und kein wind weht, strömen alle raus in die natur. wir natürlich auch. aber das passiert halt leider nur an etwa 2 aus 10 tagen. mir wurde die zeit mit der zeit echt lang.


ich muss wieder arbeiten - wie soll das gehen?


wegen unseres fluges wurden wir immer wieder vertröstet und darum gebeten, uns in 4 wochen wieder zu melden. vielleicht gibt es dann einen flug.

das ging nun eine ganze weile so. wir schauten ständig nach anderen lösungen, checkten verschiedene airlines mit stop-overs in helsinki oder sogar new york.
schauten nach der fähre nach dänemark, aber alles lief ins nichts.

der mai rückte näher und somit das ende meiner elternzeit. ich muss wieder arbeiten. wie soll denn das gehen!? mein kind ist doch mit mir zuhause und mein mann arbeitet bereits vollzeit.

aber gut, das problem hatten ja viele paare und eltern währen der corona-zeit. die kitas geschlossen, aber gearbeitet werden musste trotzdem.

der tag kam, ich besorgte mir einen computer und musste nun ins kalte wasser springen. in der not wird man ja erfinderisch.

ich legte meinem sohn seine lego-steine auf den boden und versuchte, am tisch in einiger entfernung meine calls zu erledigen. das lief mal so, mal so. die meiste zeit landete er dann auf meinem schoß und lockerte mit süßem gekicher so einige meetings auf.

besonders professionell war das nicht, aber wegschicken kann ich ihn ja auch nicht. 


der erlösende anruf


ein paar wochen später erreichte uns ein anruf. meine guten freunde von der lufthansa waren am anderen ende. sie fragten, ob wir nach hause fliegen wollten.
ähm … JA!?

gesagt, getan. am 3. juli packten wir unser mittlerweile massiv angewachsenes gepäck in einen bus und fuhren zum flughafen. es ging endlich nach hause.         

wir saßen mehr als 4 monate in island fest. es ist unser zweites zuhause, die heimat meines mannes und unserer familie und doch reichen uns 1-2 wochen urlaub da vollkommen. mehr brauchen wir nicht unbedingt.


die zeit in island hat uns durch zahlreiche höhen und tiefen geschickt. es war wochenlang nur dunkel, wochenlang nur hell. es hat meistens nur geregnet und gestürmt. meine laune war oft am tiefpunkt. den tag unserer abreise haben wir im kalender markiert und waren so froh, endlich wieder nach hause fliegen zu dürfen.


wir haben uns auf dem weg zum flughafen geschworen, dass wir für mindestens 1 jahr nicht wieder nach island reisen. wir mussten erstmal abstand gewinnen.

das ist jetzt 2,5 jahre her und mittlerweile waren wir bereits 3 weitere male für jeweils mehrere wochen auf der insel. jedes mal mit fest gebuchtem rückflugticket.  


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